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Die Lammetalbahn

Geschichte  -  01.10.1902

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 Zeitungsartikel aus der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung vom 02.10.1902

Aus Stadt und näherer Umgebung, Hildesheim, den 2. Oktober.


* Eröffnung der Hildesheim-Bodenburg-Gandersheimer Eisenbahn *

  Mit dem gestrigen Tage ist die langersehnte und erwartete Eisenbahnstrecke Hildesheim - Bodenburg - Gandersheim, bezw. die Neubaustrecke Bodenburg - Lamspringe - Gehrenrode - Gandersheim in Betrieb genommen worden und dadurch ist eine ganz bedeutende und wohlhabende Gegend, welche bislang vom allgemeinen Verkehr vollständig abgeschlossen war, an den Weltverkehr angeschlossen worden. Auf diese nunmehr fertig gestellte Bahn setzt man allgemein große Hoffnungen, da sie neue Gegenden erschließt, neue Verbindungen herstellt und dazu beiträgt, daß man entferntere Gegenden auf dem schnellsten Wege erreicht.

  Morgens 5 Uhr 18 Min. stand der erste Personenzug für die neue Strecke auf dem neu angelegten Gleise des Hildesheimer Bahnhofs zur Abfahrt bereit. Maschine und Wagen waren prächtig mit frischem Tannengrün geschmückt. In Folge der frühen Morgenstunde waren die drei Personenwagen des Zuges nicht stark besetzt. Pünktlich setzte sich der Zug in Bewegung, durchfuhr Gr. Düngen, Salzdetfurth und näherte sich dem Bahnhofe Bodenburg, wo die

Bahnhof Lamspringe
Bahnhof Lamspringe um 1902
braunschweigischen Fahnen in den Farben blau-gelb luftig von dem Bahnhofsgebäude flatterten. Nach kurzem Aufenthalt ging es weiter und bald war das braunschweigische Gebiet durchfahren und man befand sich wieder in preußischen Landen. Der nächste Bahnhof, der erreicht wurde, war Harbarnsen, auch dieser war prächtig geschmückt und der erste Eisenbahnzug wurde freudig begrüßt.

  Als man die herrliche Gegend durchfuhr, bemerkte der aufmerksame Beobachter, daß die Bevölkerung derselben der Bedeutung dieser neuen Bahneröffnung lebhaftes Interesse entgegentrug, denn überall sah man freudige Gesichter und begrüßendes Tücherschwenken. Ihren Höhepunkt erreichte die freudige Stimmung auf dem Bahnhof Lamspringe. Daß die Bewohner dieses Ortes mit seinen etwa 2000 Einwohner dem Ereignis der Bahneröffnung mit besonders freudigen Gefühlen entgegensahen, war bekannt und offenbarte sich durch die nach Hunderten zählende Menschenmenge, die sich auf dem festlich hergerichteten Bahnhofe mit einem Musikkorps eingefunden hatte und den einlaufenden ersten Zug mit nicht endenwollenden Hochs empfing. Schnell wurden die wenigen Wagen bestiegen, die sehr bald besetzt waren, so daß noch neue bereitgehaltene Wagen angehängt werden mußten und nach wenigen Minuten dampfte ein stark besetzter Zug gen Gandersheim weiter. Auch die nächste auf dem Wege nach dorthin zu passirende braunschweigische Station Gehrenrode prangte in Blumengewinden und Flaggenschmuck.

  Bald war die Station Alt-Gandersheim und die Endstation Gandersheim erreicht. Auch hier hatte sich eine zahlreiche Menschenmenge eingefunden, welche dem ersten Personenzug und den mit demselben Ankommenden freudige Hochs entgegenriefen, worein sich die schmetternde Musik der Lamspringer Kapelle mischte. Das war eine freudige Begrüßung der Bewohner der nicht sehr weit von einander gelegenen, aber doch bislang sich nicht näher getretenen Gemeinden Lamspringe und Gandersheim. Insbesondere wurden freundliche Worte zwischen der Gemeindevertretung beider Ortschaften gewechselt.

  Auf dem "Rathskeller" und im "Weißen Roß" wurde ein bereitgehaltenes Frühstück eingenommen und heller Jubel und große Freude herrschten überall. Leider war die Zeit des frohem Beisammensein hier nur kurz bemessen, da die Lamspringer mit dem nächsten Zuge wieder zurückkehren wollten. Nach herzlichem Abschied und den Klängen der Musikkapelle fuhr man wieder Lamspringe zu, wo dann bis zum Mittag Aufenthalt im Bahnhofs-Hotel genommen wurde.

Bahnhofs-Hotel Lamspringe
Bahnhofs-Hotel Lamspringe um 1907

  Im Städtchen Lamspringe, das, wie schon erwähnt, der Eröffnung dieser Bahnstrecke ganz besondere Bedeutung beimißt, machte sich eine freudige Erregung bemerkbar. Es wurde der gestrige Tag überall als ein hoher Festtag betrachtet. Seitens der Kapelle wurde auch am Vormittage dem früheren Bürgermeister Böltau und dem Zigarrenfabrikenten W. Stahl, welche sich seit langen Jahren um das Zustandekommen des Bahnprojektes große Mühe gegeben hatten, ein Ständchen gebracht. Für den Nachmittag war ein Festessen veranstaltet, das in dem festlich geschmückten Saale der auf waldiger Anhöhe gelegenen "Wilhelmshalle" abgehalten wurde. An demselben nahm u. A. theil, der Landrath des Kreises Alfeld, Herr Kirchner, der Kreisdeputirte, Oberförster Gamers, verschiedene andere Kreisausschußmitglieder, Herr Amtsgerichtsrath Fresenius aus Alfeld, Bürgermeister Philipps und die Senatoren Peters und Look sowie zahlreiche Einwohner Lamspringens und Bewohner aus der Umgegend. Von Hildesheim war leider kein offizieller Vertreter erschienen. Herr Landrat Kirchner eröffnete die Reihe der Trinksprüche. Redner hob hervor, daß der heutige Festtag so recht dazu geeignet sei, zunächst des Kaisers zu gedenken, da er es sich ganz besonders angelegen sein lasse, neue Verkehrswege zu schaffen, damit Handel und Wandel gedeihen können. In Dankbarkeit und Treue galt dem Kaiser sein Hoch, das allseitig freudig aufgenommen wurde.

  Es ergriff als dann Herr Bürgermeister Philipps das Wort und hieß die Theilnehmer am Feste auf das herzlichste willkommen. Seit unendlichen Jahren sein kein Tag für Lamspringe so bedeutungsvoll gewesen, als der heutige. Von der neuen Bahn werde ein freudiges Aufblühen der Industrie und Landwirtschaft erhofft. Es würden die Erzeugnisse der Gegend Konkurrenzfähig werden. Seit 20 Jahren seien die Vorarbeiten der Bahn im Gange gewesen und hätten die größten Opfer gefordert. Alle die Schwierigkeiten seien Überwunden worden dank der Mitwirkung der Behörden, insbesondere des Herrn Landraths Kirchner, dem man zu besonderem Dank verpflichtet sei. Deshalb solle ihm auch hier der Dank abgestattet werden durch ein Hoch.

  Herr Landrath Kirchner erwiderte und sprach zunächst im Auftrage des Herrn Regierungspräsidenten dessen Bedauern aus, daß er dienstlich am Erscheinen verhindert sei. Redner hegte persönlich die besten Wünsche für den Kreis und hoffe, daß alle an die neue Bahn geknüpften Hoffnungen in Erfüllung gingen. Die Gemeinde Lamspringe hege große Erwartungen von der Bahn, daß dieselbe für die Gegend hinter den Bergen von hoher Bedeutung sei, stehe außer allem Zweifel. Mit dem heutigen Tage scheide die Gegend aus der Abgeschiedenheit aus und trete in den allgemeinen Verkehr ein. An einem solchen Wendepunkte gezieme es sich wohl einen Rückblick auf die Vergangenheit zu werfen. Redner schilderte nun in ausführlicher und interessanter Weise die Schwierigkeiten, die sich der Sache entgegengesetzt hätten. Seine Akten reichten in dieser Beziehung auf das Jahr 1872 zurück. Eine Petition, an den Minister gerichtet, sei abgegangen im genannten Jahre, in der um den Bau der Bahn gebeten sei. Der Unterzeichner dieser Petition sei Herr Bürgermeister Böltau - Lamspringe gewesen, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht habe, die Bahn in Leben zu rufen. Es sei sehr erfreulich, daß Herr Böltau noch erlebt habe, daß die Bahn fertig gestellt und er dieselbe trotz seines hohen Alters heute Morgen befahren habe. Auch sein Nachfolger, Herr Bürgermeister Philipps, habe die Bahn nach Kräften gefördert. 1890 habe eine größere Versammlung in Bodenburg stattgefunden, in welcher man für den Bau der Bahn eingetreten sei. Im Jahre 1892 sei dann der Plan fertig gewesen. Die Kosten seien auf 4 500 000 Mark veranschlagt worden. Es sei für den Kreis Alfeld eine große Aufgabe gewesen, die verlangten Kosten aufzubringen. Die Stadt Hildesheim sei der Sache hülfreich entgegengekommen, aber dem Kreise Alfeld habe Niemand geholfen. Die schwierigen Aufgaben, die sich der Sache entgegengestellt, seien endlich überwunden worden und er habe die Überzeugung, daß die gebrachten Opfer gut angelegt seien und für den Kreis gute Früchte tragen würden. Die Bahn sei 52 Kilometer lang, wovon 40 Kilometer allein auf den Kreis Alfeld entfielen und die Kosten der Bahn hätten 5 300 000 Mark betragen. Redner trank auf das Wohl, des von der Bahn berührten Bezirks, insbesondere auf das Wohl der Gemeinde Lamspringe.

  Herr Dr. med. Seiler feierte die Gäste und gab seiner Freude Ausdruck, daß auch die Presse, die Gerstenberg'sche Zeitung aus Hildesheim, bei dem heutigen Feste vertreten sei. Redner gedachte ferner auch noch in anerkennenden Worten der Verdienste der Männer, die sich um die Bahn verdient gemacht und nannte die Namen der Herren Bürgermeister Böltau, Pastor Schaumann und Philipps, des jetzigen Bürgermeisters. Dem Letzteren widmete er sein Hoch.

  Herr Hofbesitzer Ahlswede - Förste (Alfeld) toastete auf die Damen und Herr Senator Peters auf Herrn Amtsgerichtsrath Fresenius, mit dem die Kreiseingesessenen in engster Fühlung ständen. Dankend erwiderte Herr Amtsgerichtsrath Fresenius und wünschte, daß das gute Verhältnis, das ohne Eisenbahn zwischen ihm und den Amtseingesessenen bestanden habe, auch ferne mit der Eisenbahn bestehen möge. Er trank auf das fernere gute Einvernehmen zwischen ihm und den Amteingesessenen. Herr Amtsrath Sommer - Hornsen erinnerte an die bedeutsame Vergangenheit Lamspringes, wie das die noch vorhandenen Ueberreste der in der Umgebung befindlichen Wolfsburgen bezeugten, und unterhielt die Festversammlung mit den Sagen über die Winzenburg ec., wofür ihm ein Hoch gebracht wurde.

  Unter den Festtheilnehmern hatte eine fröhliche Stimmung Platz gegriffen, wozu nicht am wenigsten die guten Speisen des Rathskellerwirths wie auch die unermüdlichen Vorträge der Lamspringer Musikkapelle beigetragen haben. Erst spät Abends fand das vorzüglich verlaufene Festmahl sein Ende. Leider hatte sich gegen Abend ein sehr heftiges Regenwetter eingestellt, das den Rückweg von dem entlegenen Festlokale nach Lamspringe bezw. zur Bahn nichts weniger als angenehm gestaltete.

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© 22.09.2002 Mail an Uwe Helbig, info@lammetalbahn.de